Prato, Toskana

Wer Prato auf dem Weg von Pistoia 172 nach Florenz 222 durchfährt, wird nicht den besten ersten Eindruck von der Stadt erhalten. Ihre florierende Textilindustrie ließ Prato in den letzten Jahrzehnten schnell zu einer Gewerbemetropole anwachsen, dementsprechend reizlos zeigt sich die Stadt von außen. Umso überraschter ist derjenige, der in das historische Zentrum Pratos vordringt. Spätestens dann wird man erkennen, dass in Prato Sehenswürdigkeiten existieren, die mit der kulturellen und künstlerischen Vielfalt der toskanischen Hauptstadt Florenz 222 durchaus mithalten können.

Das historische Zentrum Pratos umgeben von einer Stadtmauer

Das überschaubare Zentrum und die ausbleibenden Touristenströme machen einen Stadtrundgang durch Prato zu einem wahren Erlebnis. Nicht nur, dass man in dem Ort eindrucksvolle und bedeutende Kunstwerke besichtigen kann, auch als Einkaufsstadt erweist sich Prato als äußerst geeignet. Historisch gesehen geht die Provinzhauptstadt auf keine römische oder etruskische Siedlung zurück, wohl aber gab es zu Römerzeiten einen so genannten pagus, ein wirtschaftliches Zentrum auf dem Land, an der Stelle, wo heute der Dom steht. Unter den Langobarden wurde aus dem Pagus Cornius der Borgo 134 al Cornio, außerdem errichteten sie eine Festung 50, die im 11. Jahrhundert an die mächtige Herrschaftsfamilie der Alberti überging und zur Kaiserburg wurde.

Im 13. Jahrhundert ist aus Borgo 134 al Cornio eine kleine Stadt gewachsen, die sich zwar nur eingeschränkt politischer Autonomie erfreute, aber dafür wirtschaftlich aufblühte. Aufgrund seiner europaweit beliebten Textilware entwickelte sich der Ort zu einer handelsfähigen Konkurrentin gegenüber Pistoia 172, Florenz 222 und Siena 77. In nachmittelalterlicher Zeit verlor Prato zunächst an Bedeutung, erst Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt einen erneuten, nahezu unvergleichlichen ökonomischen Aufschwung durch die Verarbeitung von Lumpen.

In den Jahren zwischen 1920 und 1960 verzehnfachte sich die Bevölkerung Pratos, die Stadt wuchs weit über das noch heute von einer Mauer umgebene historische Stadtzentrum hinaus und ist mittlerweile die viertgrößten Metropole Mittelitaliens. Heute bestreitet Prato 75 Prozent der italienischen Textilproduktion, viele namhafte Designer beziehen europaweit ihre Stoffe aus Prato.

Nordöstlich des Piazza del Comunale liegt der Domplatz mit dem Duomo Santo Stefano 193. Der um das Jahr 1211 nach Plänen von Guidetto da Como errichtete Dom weist eine berühmte Besonderheit auf: die Außenkanzel aus der Frührenaissance, die von Donatello und Michelozzo di Bartolommeo in der Zeit von 1434 bis 1438 realisiert wurde. Der Hochsitz deutet auf den Gürtel Mariens hin, der im Dom aufbewahrt wird.

Blick hinauf zum Campanile des Duomo Santo Stefano

Im Inneren beeindruckt der Duomo Santo Stefano 193 sogleich mit einer weiteren kunsthistorischen Attraktion: die Freskenbemalung der Hauptchorkapelle aus dem 15. Jahrhundert durch Filippo Lippi. Dieser überaus bedeutende Malereienzyklus stellt auf der linken Seitenwand Szenen aus dem "Leben des Märtyrers Stephan", auf der rechten Seitenwand Ereignisse aus dem "Leben Johannes des Täufers" dar. Man sollte auch unbedingt einen Blick in die Capella dell’Angelo Custode werfen, die mit Fresken des so genannten Prato-Meisters ausgestattet ist.

An den Dom schließt der ehemalige Bischofspalast mit einem wunderschönen Kreuzgang und dem Museo dell’Opera an. In dem Ausstellungshaus kann man die Originalreliefs der Außenkanzel von Donatello besichtigen. Weitere Höhepunkte des Museums sind das Fresko des "Seligen Jacopo da Todi" aus dem Jahr 1440, ein Tafelgemälde der "Heiligen Lucia" von Filippino Lippi und eine Truhe für den Heiligen Gürtel von Maso di Bartolomeo.

Die südöstlich von dem Piazza del Comune 185 liegende Kaiserburg ließ Kaiser Friedrich II. von Staufen anno 1248 als Stützpunkt an der von Deutschland nach Sizilien, Ampulien und Kampanien führenden Kaiserstraße errichten. Gegenüber des Kastells liegt der Zentralbau der Kirche Santa Maria 55 delle Carceri aus dem Jahr 1484.

Stadtor zum Zentrum Pratos

Für den Toskana-Besucher ist ein Abstecher in das Altstadtzentrum von Prato 184 geradezu ein Muss. Der historische Kern hat sich trotz der rasanten industriellen Entwicklung sein mittelalterliches Aussehen bewahren können und wird von der noch größtenteils erhaltenen Stadtmauer 150 aus den Jahren 1334 und 1335 umgeben. Das Zentrum bildet der Piazza del Comune mit dem alten und dem neuen Kommunalpalast, an dem sich die alten Hauptwege kreuzen. Hauptaugenmerk des Platzes liegt auf dem mittelalterlichen Palazzo Pretorio, der um das Jahr 1250 als Geschlechterturm errichtet und 1284 zum Amtssitz des Capitano del Popolo bestimmt wurde. Im Inneren des Bauwerks gebührt den wundervollen Holzbalkendecken aus dem 13. Jahrhundert besondere Beachtung.

In dem ehemaligen Kommunalpalast Palazzo Pretorio ist die Galleria Comunale, die städtische Kunstsammlung, untergebracht. In dem Museum sind Werke des 14. bis 18. Jahrhunderts ausgestellt, von denen Bernardo Daddis Predella-Tafel vom ehemaligen Hauptaltar des Domes mit der Darstellung des "Gürtel Mariens" (1337) und Filippo Lippis "Madonna del Ceppo mit dem Heiligen Stephan und Johannes dem Täufer" hervorstechen.

Im Westen des Altstadtzentrums liegt das Kloster San Domenico 183 mit angeschlossener Kirche (Seiteneingang von Giovanni Pisano), in dem sich heute das Museo di Pittura Murale befindet – das Museum für Wandmalerei. In dem Ausstellungshaus sieht man abgelöste Fresken und Sinopien (Vorzeichnungen) aus den Kirchen Pratos. Zudem wird der Besucher anschaulich in die Technik der Freskomalerei eingeführt.

Nicht weit vom Museum der Wandmalerei in südlicher Richtung liegt der Wohn- und Geschäftspalast Palazzo Datini. In diesem seltenen Beispiel eines Anwesens aus der Spätgotik sind noch teilweise Wand- und Deckengemälde erhalten. Die Fassade des Hauses war einst vollständig mit Marmorimitationen und mit 16 Szenen aus dem Leben des Kaufmanns Francesco Datini bemalt, von denen leider nur noch die Vorzeichnungen erhalten sind.